Rheinübergänge


Die Rheinkorrektion bei Knielingen

Der Lauf des Oberrheines befand sich von Basel bis Oppenheim dauernd in lebendiger Umbildung, die sich auf ein Flutprofil bis zu 4 km Breite ausdehnte, während die großen Überschwemmungen noch viel weiter reichten und fruchtbares Gelände und Ortschaften zerstörten. Alte Chroniken berichten darüber schon aus früher Zeit; von zahlreichen Berichten sei nur ein Beispiel genannt:

Die Stadt Altbreisach war zur Zeit der römischen Invasion auf dem linken Rheinufer, im 10.Jahrhundert von zwei Rheinarmen umflossen, im 13.Jahrhundert wieder an das linke Ufer angeschlossen und erst vom 14.Jahrhundert an endgültig rechtsrheinisch geworden. Ähnliche Fälle kamen an anderen Plätzen vor. Viele Ortschaften wurden ganz oder teilweise zerstört und sind vollständig verschwunden, andere landeinwärts wieder neu erstanden.

Hochwasserjahre werden mehrfach in jedem der zurückliegenden Jahrhunderte verzeichnet, dabei oft mehrere Jahre hintereinander. Auch im letzten Jahrhundert kamen zahlreiche Hochfluten des Rheines mit verheerenden Wirkungen vor, solange die allgemeine Korrektion nicht durchgeführt war. Wochen- und monatelang nach Abzug der Hochflut stand in solchen Zeiten noch Wasser in Kellern, Stallungen und Feldern der in der Niederung liegenden Rheinorte, die Wohnungen waren durchfeuchtet, die Umgebung von Sümpfen bedeckt. Unvermeidliche Folge war, dass nicht nur die Bewohner der Niederung selbst, sondern auch der Orte unmittelbar am Hochgestade von Malaria und typhösen Fiebern heimgesucht waren.

Von alters her haben die Bewohner am Rhein zum Schutze ihrer Wohnsitze und Fluren gegen die unaufhörlichen Zerstörungen gekämpft. Viele Rheindurchstiche in früherer Zeit sind bekannt, mächtige Faschinenbauten für Stromabschlüsse oder zum unmittelbaren Schutze von Ortschaften wurden ausgeführt. Erfolge der Bauten letzterer Art sind heute noch an der Grundrissform von Ortschaften zu erkennen, die auf scharf vorspringenden Landzungen der Hochgestade liegen, ihre Zerstörung also durch Schutzbauten verhindern konnten. So sehr auch die Leistungen unserer Vorfahren zu würdigen sind, so fehlte es doch bei der Vielgestaltigkeit der Hoheitsgebiete und deren häufigem Wechsel am großen Zusammenhang für planmäßiges Bauvorgehen am Rhein.



Plan des Rheinlaufs vom Daxlander bis unterhalb des Wörther Durchschnitts aus dem Jahre 1819
Die gestrichelte Linie skizziert den späteren Rheinverlauf, wie er aus den Korrektionen hervorgeht.
Unten links erkennt man die Umrisse des späteren Karlsruher Rheinhafens.

Verhandlungen führten zur Übereinkunft vom 26.April/17.Mai 1817 "über die Geradeleitung des Rheines von Neuburg bis Dettenheim". Das war eine Strecke von 23 km mit 8 Durchstichen von der französischen Grenze bis in die Gegend oberhalb Germersheim.

Noch im Frühjahr 1817 sollte mit dem Abholzen der in die Durchstiche fallenden Waldflächen begonnen werden, doch verhinderten die Gemeinden Knielingen und Daxlanden bei Karlsruhe mit Gewalt die Ausführung, weil nicht nur für den Durchstich viel Gelände notwendig wurde, sondern auch der gegen den bayerischen Ort Wörth hin gelegene Gemarkungsteil von Knielingen mit 154ha künftig links des Rheines zu liegen kam. Daxlanden war an den Veränderung dadurch beteiligt, dass es Gelände an Knielingen abzutreten hatte. Erst durch Belegung des Ortes Knielingen mit militärischer Exekution konnten der Widerstand beseitigt und der dem Durchstich vorausgehende Leitgraben im Oktober, und zwar unter Einsatz beurlaubter Soldaten, begonnen werden.

Die Breite eines Leitgrabens betrug in der Regel 18 bis 24m; nach der Tiefe wurde er bis auf Niederwasserstand ausgehoben, wie er gewöhnlich vom Spätjahr an und während des Winters zu erwarten war, vorübergehende Anschwellungen bei Schneeschmelze ausgenommen. Die Öffnung der Durchstiche geschah bei höheren Wasserständen, nachdem häufig vorher durch Fangsporen oder andere Bauwerke, wie sogenannte Zugemäche, der Zulauf in das bisherige in das bisherige Strombett eingeengt und der Wasserdruck auf die gewollte Durchbruchstelle verstärkt worden war. Der Bedarf an Arbeitskräften war recht erheblich und betrug z.B. bei dem Eggenstein-Neupfotzer Durchstich, unterhalb von Knielingen 3000 Mann; auf 30m Länge eines Leitgrabens kamen durchschnittlich 10 Arbeiter. Hatte ein Durchstich den Talweg der Strömung aufgenommen, so überließ man es dieser, den kiesigen Boden bis auf die geplante Breite des Flussbettes von 240 m abzuschwemmen, befestigte dann den künftigen Uferfuß durch Faschinendeckung oder -senkstücke, erst später baute man die Böschung unter und über Wasser nach Normalprofilen weiter aus. Nicht immer war der Vorgang so einfach. Mehrfach boten fette Lettenbänke der Ausbildung des Flussbettes Widerstand, die Nachgrabungen nach Eintritt niederen Wasserstandes und weitere Hilfsbauten notwendig machten.

Schon am 20.Januar 1818 wurde der Durchstich auf der Gemarkung Eggenstein geöffnet in Gegenwart von etwa 1000 Zuschauern, unter denen außer Tulla und seinen Mitarbeitern auch Vertreter des großherzoglichen Hauses und der Regierung anwesend waren. Die Gemeinde beging zwei Tage lang mit großer Begeisterung ein Volksfest und ehrte den "Herrn Obrist Lieutenant" Tulla durch eine originelle Dankesurkunde.

Bis zum Frühjahr 1820 folgten noch weitere Durchstiche. Die letzten zwei der vereinbarten Durchstiche, nämlich die bei Linkenheim und Leimersheim, wurden erst 1827 und 1828 in Angriff genommen.

(Auszug aus: K. Spiess, Ausbau des Rheins vom Bodensee bis zum Main. Der Rhein - Ausbau Verkehr Verwaltung, Duisburg 1951)
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Stand: 08.03.2010 21:15:16, ©2002 Förderverein Knielinger Museum e.V.