Am 29. Juni 2022 war der Knielinger Museumsverein mit seinem Lanz-Mähbinder bei der Verfilmung des Romans „Die Mittagsfrau“ von Julia Franck im französischen Boulange direkt an der luxemburgisch-französischen Grenze dabei. Mit dem vom Luxemburger Traktorensammler Nico Röder ausgeliehenen Fendt-Dieselross Bj.1955 fuhr Hendrik Schönthal den Traktor, Etienne Gentil saß auf dem Mähbinder.
Vorbereitungen zum Einsatz
Wie es dazu kam und warum der Mähbinder des Vereins ausgewählt wurde, erzählte unser Betreuer Tim Braum von dem in München ansässigen Film-Produktions- Unternehmen Lucky Bird Pictures. Für die Drehszene, die sich während der Getreideernte in 1955 abspielt, suchte Tim Braum nach einem Mähbinder im Internet und er wurde gleich fündig. Auf der Webseite des Knielinger Museums war ein Bild mit dem DLD2 und dem Lanz-Mähbinder, das im Rahmen eines Museumsfestes gemacht wurde. Er nahm sofort Kontakt mit Dr. Manfred Ohmer auf und die Geschichte kam ins Rollen.
Man besprach das Vorhaben im Rahmen einer Vorstandsitzung und plante den Einsatz: Hendrik war bereit den Traktor zu fahren und ich würde auf dem Mähbinder sitzen.
Ab Mitte Mai waren wir in ständigem Austausch mit Tim Braum und bekamen ausführliche Informationen über Datum, Drehort und die notwendige Logistik für das Abholen des Mähbinders. Als wir erfuhren, dass der Drehort in Luxemburg war, nahm Etienne Kontakt mit seinem luxemburgischen Sammlerfreund Nico Röder auf, der über eine umfangreiche Sammlung von Traktoren und Maschinen aus hundert Jahren Traktorenbau verfügt. Der Traktor sollte aus den frühen 1950er Jahren stammen und Nico machte drei Vorschläge. Tim Braum wählte ein Fendt- Dieselross, FW24 naturbelassen und mit einer schönen Patina.
Jetzt waren wir an der Reihe und mussten den Mähbinder, der mindestens vier Jahre lang nicht eingesetzt worden war, aus der Halle herausholen und auf Funktion prüfen. Schon beim Herausholen stellten wir fest, dass der Knüpferbockhalter durch unsachgemäßes Rangieren nach dem letzten Hoffest 2018 gebrochen war. Nun war guter Rat teuer, denn das Teil ist aus Graugusseisen und schwierig zu schweißen.
Jetzt kam Vereinsmitglied Erich Mühl ins Spiel, er kann eigentlich vieles und erklärte sich bereit, das Teil zu schweißen. Grauguss zu schweißen ist sehr heikel und bedarf gewisser Vorbereitungen, d.h. die zu schweißenden Teile müssen an den Bruchstellen aufgearbeitet werden, dann angepunktet und anschließend in einem Glutofen oder Feuerschale auf 350 Grad erwärmt werden. Dann in kleineren Schritten schweißen, dazu werden spezielle Elektroden mit Chrom-Nickel verwendet und das Teil immer wieder in die Feuerschale gelegt, damit sich die innere Spannung abbaut, sonst bricht es wieder. Die Prozedur dauerte etwa drei Stunden und es gelang, den Knüpferbockhalter so zu schweißen, dass er wieder eingebaut werden konnte. Dazu wurden alle anderen Teile, die etwas verbogen waren, wieder hergerichtet und montiert.
Nun kam der Probelauf, der uns einiges Kopfzerbrechen bereitete: die Nadel fädelte das Bindegarn für die nächste Garbe nicht in den Garnhalter ein, so dass es zu Fehlbindungen kam. Wir analysierten die Ursachen und stellen fest, dass man den ganzen Knüpfer- apparat passend zur Nadel neu einstellen musste, was nach einigen Versuchen gelang und der Knüpfer arbeitete wieder zuverlässig.
Am 24. Juni wurde der Mähbinder von einem Tieflader abgeholt, nach Boulange transportiert und dort bei einem Landwirt in dessen Scheune untergestellt.
Nun wird es ernst
Am Dienstag, den 28. Juni 2022, machten wir uns - Hendrik und ich - auf den Weg zunächst zum Parc-Hotel Alvize am Stadtrand von Luxemburg, saßen dann am Abend auf der Terrasse nichts ahnend, was uns am morgigen Drehtag erwartet. Nach und nach kamen Beteiligte vom Dreh zurück, saßen an den Nachbartischen und erzählten vom Tag am Set. Für uns war das ein Vorgeschmack darauf, wie es dort zugeht, eine andere Welt, also Ruhe bewahren.
Am Mittwochmorgen fuhren wir zum Drehort nach Boulange bei Thionville an der luxemburgisch-französischen Grenze. Dort warteten wir neben der Scheune auf Nico Röder, der den Fendt FW24 mitbrachte. Es verging eine Menge Zeit, laut Plan sollte eine Besprechung am Set um 11:45 Uhr stattfinden. Anschließend folgte das Ankleiden mit Bauernbekleidung aus den 1950er Jahren; wir hatten zuvor unsere Kleidergrößen angegeben. Als Nico kam, konnten wir den Mähbinder aus der Scheune herausholen, aber noch nicht zum Drehort fahren. Alles verschob sich um etwa 45 Minuten. Wir fuhren im Auto mit Tim Braum zum Drehort bzw. ans Wintergersten-Feld, wo unsere Szene sich abspielte.
Auf der Straße zum Drehort waren Ampelanlagen mit einspurigem Verkehr, wenn gedreht wurde, war die Straße gesperrt. Auf einem Parkplatz neben dem Sportplatz waren mehrere Nutzfahrzeuge und Kastenwagen beladen mit allem, was man am Dreh braucht.
Dann wurde ich gefragt, ob ich Komparsen das Sensenmähen beibringen könnte. Ich bejahte und machte einige Sensen fit, die schon bessere Tagen gesehen hatten; der Requisiteur hatte Gott sei Dank neue Sensenblätter an Bord. Wenn jemand noch nie eine Sense in der Hand hatte, ist es nicht einfach, aber es ging mehr schlecht als recht.
Es kam der Aufruf zum Ankleiden und inzwischen war der Mähbinder fast am Drehort, aber wir konnten uns noch nicht positionieren, denn der Hintergrund am Waldrand sollte frei sein, also hieß es warten.
Es war nun schon fast 16:00 Uhr und wir konnten endlich um das Gerstenfeld fahren, um den Mähbinder in Arbeitsposition zu stellen und gleich am Feldrand anzuschneiden, um einen Probelauf zu machen. Hier sei bemerkt, dass Hendrik noch nie ein Fendt-Dieselross gefahren hatte, ganz zu schweigen von einem Gespann mit Mähwerk. Hendrik hielt sich an die Anweisungen und es klappte hervorragend. Wir waren für den Dreh bereit, atmeten auf und warteten auf Anweisungen der Regie.
Kurz nach dem Probelauf sollten wir nach vorn zum Set am anderen Feldrand fahren wo der Landwirt bereits ein Quadrat angemäht hatte. Geplant war, dass wir ums Eck herum fahren sollten.
Das geht mit einem Mähbinder auf keinen Fall, man muss einmal rangieren. Nachdem wir es erklärt hatten, konnten wir uns ans andere Ende des Quadrats stellen und noch eine Weile warten, bis eine andere Szene mehrere Male gedreht wurde und endlich im Kasten war. Als das Startsignal kam, waren wir erleichtert und mähten bis zum anderen Ende des Feldes.
Fazit: der Dreh hat etwa fünf Minuten gedauert. Für Verfilmungen wird viel Aufwand getrieben und wenn man einen Film im Kino oder vorm TV anschaut, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, was dahintersteckt. Obwohl wir nur einen Tag dabei waren, haben wir eine Menge mitbekommen. Manches ist wahrlich chaotisch, aber der Zuschauer bekommt es nicht mit.
Am Ende des Tages waren wir, Hendrik und ich, um einige Erfahrungen reicher und froh, dabei gewesen zu sein.
Am Abend lud uns Tim Braum mit Bernd Dietrich als Belohnung zum Essen ein. Eigentlich spielt sich die Geschichte in Berlin in den 1920er/1930er Jahren und in Bautzen in den 1950er Jahre ab, so dass ein Fahrzeug aus DDR Produktion mit im Spiel war. Bernd Dietrich aus Brandenburg hatte deswegen ein IFA Auto aus seiner Sammlung mitgebracht.